===== Die Wärmekapazität =====
==== Was ist die Wärmekapazität? ====
Du hast bestimmt die Erfahrung gemacht, dass sich manche Oberflächen "kälter" anfühlen als andere. Wenn du z.B. auf eine Metallplatte oder Holzplatte fasst, wirkt das Metall deutlich kälter. Das liegt daran, dass die meisten Metalle viel mehr Wärme "speichern" können als z.B. Holz. Die Wärme aus deiner Hand wird sehr schnell auf das Metall übetragen, deiner Hand wird Wärme entzogen, was du als "Kälte" fühlst.
Um das Speichervermögen an Wärme von unterschiedlichen Körpern quantitativ erfassen zu können, wurde die Wärmekapazität C eingeführt.
Die **Wärmekapazität C** eines Körpers ist das Verhältnis der ihm zugeführten Wärme Q zu der damit bewirkten Temperaturerhöhung ΔT. Das Delta Δ steht immer für eine Differenz, hier die Differenz aus der Anfangstemperatur TA und Endtemperatur TE.
$$C = \frac{Q}{\Delta T}$$
Die Einheit ist Joule pro Kelvin.
$$[C] = \frac{J}{K}$$
=== Die spezifische Wärmekapazität ===
Man kann die Wärmekapazität C von beliebigen Körpern bestimmen, z.B. von einem Kalorimeter, aber man möchte in der Regel die Wärmekapazität von reinen Stoffen wie Wasser oder Kupfer miteinander vergleichen können. Dabei ist natürlich immer auch entscheidend, wie viel Masse eines Stoffes vorliegt. Man bezieht sich dabei auf die SI-Einheit Kilogramm.
Die **spezifische Wärmekapazität** c eines Stoffes ist das Verhältnis der ihm zugeführten Wärme Q zu der damit bewirkten Temperaturerhöhung ΔT multipliziert mit seiner Masse.
$$c = \frac{Q}{m \cdot \Delta T}$$
Die Einheit ist Joule pro Kilogramm und Kelvin.
$$[c] = \frac{J}{kg \cdot K}$$
Beispielsweise beträgt die spezifische Wärmekapazität von flüssigem Wasser etwa $c=4,2 \frac{kJ}{kg \cdot K}$. Das bedeutet, dass man einem Kilogramm Wasser eine Wärmemenge Q von 4,2 kJ zuführen muss, um es um 1K bzw. 1°C zu erwärmen.
=== Die spezifische Wärmekapazität als Schlüssel zur Bestimmung von Größen ===
Stellt man die Definitionsgleichung der spezifische Wärmekapazität nach ihren unterschiedlichen Größen um, lassen sich verschiedene Größen durch geeignete Experimente bestimmen. Das kannst du mit deinem Taschenrechner sehr einfach selbst machen, indem du die Gleichung mit der solve{}-Funktion nach der jeweiligen Größe umstellst. Du musst ggf. aufpassen das ΔT z.B. durch ein einfaches "x" zu substituieren. Weil dein Taschenrechner das Δ als Differenz zweier Werte interpretieren könnte.
== Wärmemenge Q ==
\begin{align*}
c & = \frac{Q}{m \cdot \Delta T} \space \space \bigg \vert \cdot \frac{1}{Q} \\
\Leftrightarrow \frac{c}{Q} & = \frac{1}{m \cdot \Delta T} \space \space \bigg \vert \cdot \frac{1}{c} \\
\Leftrightarrow \frac{1}{Q} & = \frac{1}{c \cdot m \cdot \Delta T} \space \space \bigg \vert ^{-1}\\ \\
\Leftrightarrow Q & = c \cdot m \cdot \Delta T
\end{align*}
Diese Gleichung begegnet dir übrigens sehr oft in der Energetik. Letztlich ist es nur die nach Q umgestellte Definitionsgleichung der spezifischen Wärmekapazität.
== Masse m ==
Hier muss man sich klarmachen, dass sich die Masse m immer auf das Medium bezieht, welches die Wärme aufnimmt - das ist oft Wasser, dessen Dichte man i.d.R. mit 1g/mL ansetzt.
\begin{align*}
c & = \frac{Q}{m \cdot \Delta T} \space \space \bigg \vert \cdot m \\
\Leftrightarrow c \cdot m & = \frac{Q}{\Delta T} \space \space \bigg \vert \cdot \frac{1}{c} \\
\Leftrightarrow m & = \frac{Q}{c \cdot \Delta T}
\end{align*}
== Anfangstemperatur ==
Hier müssen wir das ΔT auflösen zu TE-TA - (Endtemperatur - Anfangstemperatur).
\begin{align*}
c & = \frac{Q}{m \cdot \Delta T} \\
\Leftrightarrow c & = \frac{Q}{m \cdot (T_E-T_A)} \space \space \bigg \vert \cdot (T_E-T_A) \\
\Leftrightarrow c \cdot (T_E-T_A) & = \frac{Q}{m} \space \space \bigg \vert \cdot \frac{1}{c}\\
\Leftrightarrow (T_E-T_A) & = \frac{Q}{c \cdot m} \space \space \bigg \vert -T_E\\
\Leftrightarrow -T_A & = \frac{Q}{c \cdot m} - T_E \space \space \bigg \vert \cdot -1\\
\Leftrightarrow T_A & = -\frac{Q}{c \cdot m} + T_E \\
\Leftrightarrow T_A & = T_E -\frac{Q}{c \cdot m}
\end{align*}
== Endtemperatur ==
Hier müssen wir das ΔT auflösen zu TE-TA - (Endtemperatur - Anfangstemperatur).
\begin{align*}
c & = \frac{Q}{m \cdot \Delta T} \\
\Leftrightarrow c & = \frac{Q}{m \cdot (T_E-T_A)} \space \space \bigg \vert \cdot (T_E-T_A) \\
\Leftrightarrow c \cdot (T_E-T_A) & = \frac{Q}{m} \space \space \bigg \vert \cdot \frac{1}{c}\\
\Leftrightarrow (T_E-T_A) & = \frac{Q}{c \cdot m} \space \space \bigg \vert +T_A\\
\Leftrightarrow T_E & = T_A + \frac{Q}{c \cdot m}
\end{align*}
Damit kannst du jetzt die unterschiedlichsten Aufgaben lösen. Du musst nur ermitteln, nach welcher Größe im jeweiligen Fall gefragt wird. Prinzipiell kannst du jede Gleichung auswendig lernen - allerdings ist der Weg über das Umformen per Hand oder den Taschenrechner natürlich jederzeit möglich, sodass du dann nur von einer einzigen Gleichung ausgehen musst.
Sehr oft wird dir nicht direkt die Masse m gegeben, sondern du musst dir diese aus $M=\frac{m}{n}$ berechnen. Oder du erhältst eine Wärmemenge Q, die z.B. auf ein Mol bezogen ist, sodass du auch hier umrechnen musst. In den Aufgabentypen findest du zwei Anwendungsfälle.
==== Aufgabentypen ====
**Q ist gesucht**\\ \\
Ein Fitnessinfluencer bewirbt in seinen Videos, dass das Trinken von drei Litern kaltem Wasser (12°C) bereits einen nennenswerten Beitrag zum Kalorienverbrauch leistet.
Die Durchschnittskörpertemperatur eines Menschen beträgt etwa 36-37°C und ist auch immer davon abhängig, wo genau gemessen wird. Der Einfachheit halber nehmen wir einen Wert von 36,5°C an. Auf diesen Wert wird das Wasser durch den Körper erwärmt, bevor es ihn wieder verlässt.
Welche Energiemenge in Form von Wärmeenergie ist dazu notwendig?
++++Lösung |
=== Ansatz ===
== Gegeben: ==
* Wärmekapazität von Wasser bei 20°C/1013hPa c: $4,1819 \frac{kJ}{kg \cdot K}$
* Temperaturdifferenz ΔT: 36,5°C-12°C = 24,5°C - entspricht einer Differenz von **24,5K**
* Masse m des Wassers: **3kg**
* Umrechnung von KJ in kcal: 1kcal entspricht 4,186KJ
* Die Änderung der inneren Energie -ΔU entspricht der zugeführten Wärmemenge Q.
== Allgemein gilt: ==
$$ Q = c \cdot m \cdot \Delta T $$
== Einsetzen: ==
$$ Q = 4,1819 \frac{kJ}{kg \cdot K} \cdot 3kg \cdot 24,5K \approx 307,4kJ \approx 73,4kcal $$
== Ergebnis ==
Bei Erwärmen von 3L Wasser (12°C) um 24,5K wird etwa eine Energiemenge von **307,4KJ** oder **73,4kcal** verbraucht (100g Schokolade haben etwa 540kcal).
++++
**Vordergründig(!) ist m gesucht**\\ \\
Beim Lösen einer bestimmten Masse an Natriumhydroxid erwärmen sich 500mL Wasser von 20°C auf 30°C. Die molare Reaktionswärme Qr beträgt 44,5kJ/mol. Welche Masse an Natriumhydroxid wurde eingesetzt?
++++Lösung |
=== Ansatz ===
Die Reaktionswärme Qr ist hier nur auf ein Mol bezogen und nicht auf die tatsächlich gesuchte Masse hin angegeben. Daher müssen wir diese Aufgabe in zwei Schritten lösen.
- Um wie viel Kelvin würden 500mL Wasser von einem Mol Natriumhydroxid erwärmt werden?
- Welche Masse an Natriumhydroxid würde eine Erwärmung von 10K bewirken?
Dabei nutzen wir aus, dass alle Werte im Prinzip proportional zueinander sind.
== Gegeben: ==
* Wärmekapazität von Wasser bei 20°C/1013hPa c: $4,2 \frac{kJ}{kg \cdot K}$
* Temperaturdifferenz ΔT: 30°C-20°C = 10°C - entspricht einer Differenz von **10K**
* Masse m des Wassers: V=0,5l → **0,5kg**
* Molare Reaktionswärme Qr: $44,5 \frac{kJ}{mol}$
* Molare Masse M von Natriumhydroxid: $40 \frac{g}{mol}$
== Gesucht: ==
Im 1. Schritt: **ΔT** für c=4,2kJ/m⋅K / m=0,5kg / Q = 44,5 kJ/mol\\
Im 2. Schritt: **m** für **ΔT=10K**
== Allgemein gilt: ==
$$\Delta T = \frac{Q}{m \cdot c}$$
== Einsetzen: ==
$$\Delta T = \frac{44,5 \frac{kJ}{mol}}{0,5kg \cdot 4,2 \frac{kJ}{kg \cdot K}} \approx 21,2\frac{K}{mol} $$
\\
\\
//1mol (40g) Natriumhydroxid würden 0,5L Wasser um 21,2K erwärmen.// \\
\\
Welche Masse an Natriumhydroxid würde 0,5L Wasser um 10K erwärmen?\\
//"40g verhalten sich zu einer Temperaturerhöhung von 21,2K wie xg zu einer Temperaturerhöhung von 10K."// - Formalisiert:
\begin{align*}
\frac{40g}{21.2K} & = \frac{xg}{10K} \space \space \bigg \vert \cdot 10K \\
\frac{40g \cdot 10K}{21.2K} & = xg \\
x & \approx 18,9g
\end{align*}
//Etwa 18,9g Natriumhydroxid müssen eingesetzt werden, um 0,5L Wasser um 10K (10°C) zu erwärmen.//
++++
**m ist wirklich (auch) gesucht**\\ \\
Ein großes Problem der Energiewende besteht darin, die im Sommer im Übermaß vorhandene Energie für den Winter zum Heizen zu speichern. Ein um die 2000er-Jahre gebautes Einfamilienhaus benötigt etwa 10.000kWh Energie für die Heizung pro Jahr. 1kWh entsprechen einer Energiemenge von 3600kJ.
In Finnland wird in der Nähe von Tampere ein Sandspeicher als Energiespeicher erprobt. Die spezifische Wärmekapazität c von trockenem Sand beträgt etwa 0,5kJ/(kg⋅K), seine Dichte δ etwa 1900kg/m3.
Um ausreichend Energie speichern zu können, muss Sand von einer Starttemperatur von 15°C auf mindestens 400°C erwärmt und in einem gut isolierten Speicher eingelagert werden.
Welches Innenvolumen müsste ein Sandspeicher für das beispielhafte Einfamilienhaus und unter der Annahme aufweisen, dass es bei dieser Konstellation etwa 35% Energieverluste gibt?
++++Lösung |
=== Ansatz ===
Die Aufgabe erfordert mehrere Schritte:
- Es muss die erforderliche Engergiemenge Q berechnet werden, die der Sand speichern können muss.
- Es muss die Masse an trockenem Sand berechnet werden, die diese Energiemenge bei der angegebenen Temperaturdifferenz aufnehmen kann.
- Aus der Masse kann über die Dichte das Volumen bestimmt werden.
- Das Volumen muss mit einem Korrekturfaktor von 1,35 multipliziert werden, um die Energieversluste zu berücksichtigen.
== Gegeben: ==
* Wärmekapazität von Sand: $0,5 \frac{kJ}{kg \cdot K}$
* Temperaturdifferenz ΔT: 400°C-15°C = 385°C - entspricht einer Differenz von **385K**
* Energiemenge Q: 10000kwh → 10000*3600kJ = **36000000kJ**
* Dichte δ: **1900kg/m3**
* Energieverlust: **35%**
== Gesucht: ==
V(Sand)
== Allgemein gilt: ==
$$m = \frac{Q}{c⋅ΔT}$$
$$V = \frac{m}{\rho}$$
$$V_{Verlust}=V \cdot 1,35 $$
== Einsetzen: ==
$$m_{Sand} = \frac{36000000kJ}{0,5 \frac{kJ}{kg \cdot K} \cdot 385 K } \approx 187013kg $$
$$V_{Sand} = \frac{187013kg}{1900 \frac{kg}{m^3}} \approx 98,4m^3$$
$$V_{Verlust} = 98,4m^3 \cdot 1,35 \approx 133m^3 $$
Der Sandspeicher müsste ein Innenvolumen von ca. 133m3 aufweisen, damit er die erforderliche Wärmemenge speichern kann. Das entspricht einem Schwimmbecken mit einer Länge von 14m, einer Breite von 5m und einer Tiefe von 1,9m.
++++
**Darf man immer mit der Wärmekapazität von Wasser bei 20°C rechnen?**\\
Wir haben oben mit der Wärmekapazität für 20°C gerechnet und dafür stets 4,2kJ(kg⋅K) als Wert verwendet, der schon ein gerundeter Wert ist. Die Wärmekapazität hängt aber von der Temperatur ab. Hier findest du einige Werte ([[https://www.rhetos.de/html/lex/spezifische_waermekapazitaeten_von_wasser.htm|Quelle]]):
^ Temperatur [°C] ^ Wärmekapazität [KJ/(kg*K)] ^
| 12 | 4,1893 |
| 13 | 4,1880 |
| 14 | 4,1869 |
| 15 | 4,1858 |
| 16 | 4,1849 |
| 17 | 4,1840 |
| 18 | 4,1832 |
| 19 | 4,1825 |
| 20 | 4,1819 |
| 21 | 4,1813 |
| 22 | 4,1808 |
| 23 | 4,1804 |
| 24 | 4,1800 |
| 25 | 4,1796 |
| 26 | 4,1793 |
| 27 | 4,1790 |
| 28 | 4,1788 |
| 29 | 4,1786 |
| 30 | 4,1785 |
| 31 | 4,1784 |
| 32 | 4,1783 |
| 33 | 4,1783 |
| 34 | 4,1782 |
| 35 | 4,1782 |
| 36 | 4,1783 |
| 37 | 4,1783 |
Welchen Fehler machen wir, wenn wir in diesem Bereich die Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärmekapazität des Wasser nicht berücksichtigen?
++++Lösung |
=== Ansatz ===
Fehlerabschätzung läuft oft darauf hinaus, den vereinfachten Wert in Relation zum genauen Wert zu setzen. Wir vergleichen also:
* den in diesem gesamten Temperaturintervall berechneten vereinfachten Wert
* mit dem genauen Wert, den wir durch Aufaddieren von Einzelschritten in Intervallen von 1K ermitteln.
== gegeben: ==
* Vereinfachter Wert für Wärmekapazität von Wasser bei 20°C/1013hPa c: $4,2 \frac{kJ}{kg \cdot K}$
* Genaue Werte für c gemäß Tabelle
* Temperaturdifferenz ΔT: 37°C-12°C = 25°C - entspricht einer Differenz von **25K**
* Temperaturdifferenz in Einzelschritten von 1K, die aufaddiert werden
* Masse des Wassers m: 1kg (leicht zu rechnen)
== allgemein gilt ==
$$Q = c\cdot m \cdot \Delta T$$
== Vereinfachter Wert: ==
$$Q_{idealisiert} = 4,2 \frac{kJ}{kg \cdot K} \cdot 1kg \cdot 25K = 105kJ $$
== Genauer Wert: ==
Wir dürfen die erste Zahl in der Tabelle nicht mitrechnen, da von dieser Temperatur der erste 1K-Schritt erst erfolgt.
$$Q_{genau} = 4,1888 \frac{kJ}{kg \cdot K} \cdot 1kg \cdot 1K + 4,1880 \frac{kJ}{kg \cdot K} \cdot 1kg \cdot 1K + \space ... \space + 4,1783 \frac{kJ}{kg \cdot K} \cdot 1kg \cdot 1K = 104,5215kJ $$
== Abweichung: ==
$$A = Q_{idealisiert}-Q_{genau} = 105kJ-104,5215kJ \approx 0,48 $$
//Bezogen auf den idealisieren Wert ist das einen Abweichung von rund **0,46%**, also zu vernachlässigen für schulische Beispielrechnungen. //
++++